Liebe Genossinnen und Genossen,

ich hoffe ihr seid alle gut ins neue Jahr gestartet und wünsche euch auch auf diesem Wege nochmal alles Gute für 2024. Wie gewohnt, werde ich auch in diesem Jahr regelmäßig von den Berliner Sitzungswochen berichten.

Los ging es allerdings schon eine Woche früher. Ich wurde nämlich, für mich eine große Ehre, gemeinsam mit zwei Kollegen nach Guatemala eingeladen, um der Einführung des im vergangenen Sommer gewählten Präsidenten Bernardo Arévalo ins Amt beizuwohnen. Eigentlich ein normaler, demokratischer Vorgang. Nicht so in dem mittelamerikanischen Land. Die bisherige Regierung versuchte mit allerlei Tricks, die Amtsübergabe zu verhindern und hinauszuzögern. Beobachter berichteten von Einschüchterung, Bedrohung, Verhaftung von dem Präsidenten Nahestehenden. Seine junge Bewegung „Movimiento Semilla“ (auf Deutsch „Bewegung Samenkorn“) wurde suspendiert. Nicht klar war bis zuletzt, ob die 23 gewählten Abgeordneten als Fraktion ins Parlament einziehen. Indigene Gruppierungen aus dem ganzen Land – sie stellen die Hälfte der Bevölkerung Guatemalas – schlossen sich am 2. Oktober zusammen und organisierten Proteste und Blockaden in Guatemalas Hauptstadt und besonders vor dem „Ministerio publico“. Diese dauerten bis zum vergangenen Sonntag, als Arévalo ins Amt eingeführt werden sollte, sage und schreibe 105 Tage an. Dabei nahmen die Demonstrierenden enorme Einschränkungen auf sich: kein Einkommen, entfernt von der Familie, um nur einige zu nennen. Unterstützt wurden sie von Ehrenamtlichen, die Suppenküchen und Frühstück organisierten, wie mir der Leiter des Protestcamps berichtete. Antidemokratische Kräfte versuchten auch am Sonntag noch, die Amtsübernahme zu verhindern. Das Verfassungsgericht schaltete sich ein und die internationale Gemeinschaft verabschiedete flugs eine Resolution. Neben Staatschefs aus den Nachbarländern und Vertreter:innen der USA waren Abgeordnete und der König von Spanien gekommen. Europa war stark repräsentiert, unter anderem durch den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und mehrere Delegationen.

Bei unserem kurzen Aufenthalt hatten wir die Gelegenheit zum Austausch mit Mitgliedern von Semilla, mit Vertreter:innen der Presse und junger, unabhängiger Medien, mit Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsverteidigern und Frauenrechtlerinnen. Bewegend war für mich die Begegnung mit einer Bürgermeisterin und acht ihrer Amtskollegen, die sich im Netzwerk „48 cantones“ zusammengeschlossen haben, um ihre Rechte einzufordern. Sie leben in Respekt vor- und miteinander und mit der Natur und wünschen sich Unterstützung mit Solarpaneelen, damit sie saubere Energie produzieren können. Außerdem setzen sie auf Bildung und Gleichberechtigung der Geschlechter. Eindringlich zeigte sich dies unter anderem bei einer Maya-Zeremonie zum Sonnenaufgang am Sonntag. Schamaninnen und Schamanen waren daran beteiligt. Sie ehrten die Natur und die Ahnen und sprachen gute Wünsche für den neuen Präsidenten aus. Der sollte um 15 Uhr im Nationaltheater offiziell sein Amt übernehmen. Taktik, Muskelspiele und Säbelrasseln des alten Systems zögerten diesen Zeitpunkt immer wieder hinaus, so dass schließlich kurz vor Mitternacht die erforderliche Sitzung des Parlaments im Theater beginnen konnte. Statt wie vorgesehen am Nachmittag wurde es dann 3 Uhr in der Nacht, bis Arévalo zu den Menschen auf der „plaza de la constitucion“ sprechen konnte. Nicht ohne zuvor zu seinen Unterstützern gefahren zu sein. Zugang zu Bildung und der Erhalt der Demokratie: Das sind die Hoffnungen, die die Jugend in Guatemala trägt. Bis in den frühen Morgen hinein wurde auf der Plaza gefeiert und getanzt. Mit Hilfe der Indigenen und der internationalen Gemeinschaft ist es schließlich gelungen, dass der Wille der Wähler:innen respektiert wurde und Arévalo sein Amt antreten konnte. Nun gilt es, das zarte Pflänzchen Demokratie zu pflegen, auf dass Guatemala zu einer brühenden Demokratie werde. Einen kleinen Beitrag dazu haben wir mit unserer Reise geleistet. Den parlamentarischen Austausch wollen wir fortsetzen.

Zurück in Berlin war ich direkt mittendrin in der Sitzungswoche. Besonders wichtig war die erneute Verabschiedung des Haushaltes in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses. Mit dem hier gefunden Kompromiss können alle geplanten Projekte umgesetzt werden. Ich freue mich auch, dass wir die Maßnahmen bei den Landwirten an die Lebensrealität anpassen konnten. In der Gesundheitspolitik standen für mich einige Gespräche mit der Arbeitsgruppe und dem Minister auf dem Plan. Wir haben in diesem Jahr einiges vor und ich werde an dieser Stelle davon berichten.

Jetzt geht es für einen Tag nach Hause. Morgen bin ich bei der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte in Weingarten, bevor ich am Sonntag zu den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates fahre.

Viele Grüße
eure Heike